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Grundsatzentscheidung des OLG Düsseldorf zu D&O-Versicherungen / D&O-Versicherung deckt nicht die GmbH-Geschäftsführerhaftung wegen nach Insolvenzreife getätigter Zahlungen

Der für Streitigkeiten aus Versicherungsverträgen zuständige 4. Zivilsenat des OLG Düsseldorf hat am 20. Juli 2018 ein Grundsatzurteil zur Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Vorstände, Geschäftsführer und Leitende Angestellte (sog. D&O-Versicherungen) verkündet (Az. 4 U 93/16). Das Gericht hat entschieden, dass die D&O-Versicherung nicht eintreten muss, wenn ein GmbH-Geschäftsführer persönlich wegen nach Insolvenzreife getätigter Zahlungen haftbar gemacht wird.

Sachverhalt:

Die Klägerin war als GmbH-Geschäftsführerin gemäß § 64 GmbH-Gesetz vom Insolvenzverwalter der Gesellschaft wegen nach Eintritt der Insolvenzreife getätigter Zahlungen in Anspruch genommen worden und hatte daraufhin von ihrer D&O-Versicherung eine Haftungsfreistellung verlangt. Gemäß § 64 GmbH-Gesetz hat ein Geschäftsführer für Zahlungen persönlich einzustehen, die trotz Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Feststellung der Überschuldung der Gesellschaft geleistet worden sind.

Der Insolvenzverwalter hatte zuvor einen in Rechtskraft erwachsenen Zahlungstitel über EUR 200.000,00 gegen die Geschäftsführerin der Insolvenzschuldnerin erwirkt. Die von der Geschäftsführerin gegen die Versicherung auf Haftungsfreistellung gerichtete Klage blieb in der ersten Instanz erfolglos. Gegen das abweisende Urteil legte die GmbH-Geschäftsführerin Berufung zum OLG Düsseldorf ein, das die Berufung mit Urteil vom 20. Juli 2018 zurückgewiesen hat. Eine Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen, es allerdings die (wenig aussichtsreiche) Möglichkeit, gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde zum Bundesgerichtshof einzulegen.

Nach Auffassung der Geschäftsführerin sollte die Versicherung auch für die streitgegenständlichen Haftungsansprüche des Insolvenzverwalters aufkommen. Ausweislich der zugrunde liegenden Bedingungen der Vermögenshaftpflichtversicherung wurde Versicherungsschutz für den Fall gewährt, „dass eine versicherte Person […]wegen einer […] Pflichtverletzung […] für einen Vermögensschaden von der Versicherungsnehmerin oder einem Dritten (hierzu zählt auch der Insolvenzverwalter) auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird […].“

Dass auch eine Inanspruchnahme aus § 64 S. 1 GmbH-Gesetz hiervon erfasst sein soll, war in den Versicherungsbedingungen nicht ausdrücklich geregelt.

Kernaussagen der Entscheidung:

Nach Ansicht des OLG Düsseldorf sei der Haftungsanspruch aus § 64 GmbH-Gesetz mit dem versicherten Schadensersatzanspruch wegen eines Vermögensschadens nicht vergleichbar. Es handele sich vielmehrt um einen „Ersatzanspruch eigener Art“, der allein dem Interesse der Gläubigergesamtheit eines insolventen Unternehmens diene. Nach Auffassung des Senats erleide die Gesellschaft durch insolvenzrechtswidrige Zahlungen, die nach Insolvenzreife geleistet werden, keinen Vermögensschaden, da durch die Zahlung eine bestehende Verbindlichkeit getilgt werde. Die Zahlung an bevorzugte Gläubiger wirke sich nachteilig nur für die übrigen Gläubiger aus. Die D&O-Versicherung sei jedoch nicht auf den Schutz der Gläubigerinteressen ausgelegt, so die vom OLG Düsseldorf vertretene Auffassung.

Das OLG begründet seine Entscheidung damit, dass der Haftungsanspruch gemäß § 64 GmbH-Gesetz unter anderem deshalb nicht mit einem Schadensersatzanspruch vergleichbar sei, da verschiedene Einwendungen, die im Schadensersatzrecht erhoben werden können, im Rahmen des § 64 GmbH-Gesetz nicht vorgesehen seien. So könne beispielsweise einer Haftung nach § 64 GmbH-Gesetz nicht entgegengehalten werden, der notleidenden Gesellschaft sei kein oder nur ein geringerer Schaden entstanden. Auch ein Mitverschulden oder eine eventuelle Gesamtschuld mehrerer handelnder Personen, die nicht versicherte Person sind, könne nicht geltend gemacht werden. Gewährt der Versicherer bei einer Inanspruchnahme aus § GMBHG § 64 GmbH-Gesetz Abwehrdeckung, sei es ihm versagt, diese Einwendungen erfolgreich zu erheben; die Verteidigungsmöglichkeiten seien im Vergleich zur Inanspruchnahme aus einem reinen Schadensersatzanspruch sehr eingeschränkt, weshalb es für den Versicherer ein ganz anderes Risiko darstelle, wenn er unabhängig davon leisten soll, ob der Versicherungsnehmerin oder dem Dritten überhaupt ein Schaden entstanden ist.

Bei einem derart weitreichenden Verständnis des Schadensbegriffs seien nach Auffassung des Senats nicht die konkreten Vermögensinteressen der Versicherungsnehmerin geschützt, sondern die der Gläubigergemeinschaft.

Praxisfolgen:

Die OLG-Entscheidung ist für Führungskräfte von Unternehmen, Insolvenzverwalter, Industrieversicherer und Versicherungsmakler von großer und weitreichender Bedeutung. Die Praxis zeigt, dass im Rahmen von Insolvenzverfahren oftmals GmbH-Geschäftsführer oder Vorstände von Aktiengesellschaften gemäß § 64 GmbH-Gesetz bzw. § 92 Abs. 2 Aktiengesetz wegen nach Insolvenzreife getätigter Zahlungen persönlich in Anspruch genommen werden. Werden nach Insolvenzreife Zahlungen geleistet, sehen sich Geschäftsführer bzw. Vorstände nach Maßgabe der vorgenannten Normen einer persönlichen Haftung ausgesetzt. Geschäftsführer und Vorstände müssen daher in der Krise eines Unternehmens die finanzielle Lage im Hinblick auf eine mögliche Insolvenzreife und damit verbundene Pflicht zur Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a Insolvenzordnung stets im Blick haben. Dies gilt umso mehr, als der Bundesgerichtshof Anfang 2018 die Haftung für Zahlungen, die nach Insolvenzreife des Unternehmens getätigt werden, nochmals verschärft hat (vgl. hierzu Urteil des BGH v. 04.07.2018, Az. II ZR 319/15).

Geschäftsführern und Vorständen ist daher dringend anzuraten, bestehende D&O-Versicherungsverträge dahingehend überprüfen zu lassen, ob die bestehenden Versicherungen einen insolvenzrechtlichen Ersatzanspruch im Sinne von § 64 S. 1 GmbH-Gesetz bzw. § 92 Abs. 2 Aktiengesetz explizit abdecken, andernfalls bestehen hier hohe Risiken für den Geschäftsführer/Vorstand.

 

Ansprechpartner:

Andreas Doerenkamp
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Tel.: 0211 17257-67
E-Mail: a.doerenkamp@egsz.de

 

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