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Auswirkungen der Corona-Krise auf die Verpflichtung zur Mietzahlung im Gewerbemietrecht (Stand: 22. Januar 2021)

In Zeiten der Corona-Krise wurden und werden zahlreiche Mieter von Geschäftsräumen, insbesondere Ladenlokalen, zur Schließung ihrer Ladengeschäfte gezwungen. Die wirtschaftlichen Folgen für die betroffenen Unternehmen und Unternehmer sind verheerend und oftmals existenzbedrohend. Insbesondere stellen sich die Fragen, ob der Mieter im Falle einer behördlich angeordneten Schließung seines Ladenlokals gegenüber seinem Vermieter zur Mietminderung berechtigt ist oder eine Anpassung des Vertrages und insbesondere der Höhe der Miete fordern kann. Der nachfolgende Beitrag soll einen Überblick über die wesentlichen Gesetzesregelungen und den Stand der Rechtsprechung zu diesen essentiellen Aspekten eines Mietverhältnisses geben.

Zeitlich befristeter Kündigungsausschluss

Zunächst hat der Gesetzgeber am 25. März 2020 das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ verabschiedet, welches auch Interimsregelungen zum Miet- und Pachtrecht enthält. Die für das Miet- und Pachtrecht geltenden Regelungen des Gesetzes sind am 1. April 2020 in Kraft getreten. Es sieht u.a. einen zeitlich begrenzten Kündigungsauschluss für Miet- und Pachtverträge bei Zahlungsverzug des Mieters / Pächters mit der Miete / Pacht vor, der in Art. 240 § 2 EGBGB geregelt ist. Danach kann der Vermieter ein Mietverhältnis nicht allein aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht zahlt, sofern die Nichtzahlung auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht. Der Ursachenzusammenhang zwischen der Nichtzahlung der Miete und der Covid-19-Pandemie ist dabei vom Mieter glaubhaft zu machen.

Eine Verlängerung des Zeitraums für den Kündigungsschutz über den 30. Juni 2020 hinaus erfolgte nicht. Bis zum 30. Juni 2022 müssen alle für den relevanten Zeitraum rückständigen Mietschulden inklusive Verzugszinsen zur Vermeidung einer Kündigung getilgt sein.

Rechte des Mieters bei einer Schließung seines Ladenlokals

Umstritten ist, ob dem Mieter im Falle einer behördlichen Anordnung zur Einstellung des Geschäftsbetriebs bzw. Schließung des Ladenlokals Rechte gegenüber dem Vermieter auf Einbehalt der Miete oder eines Teiles davon (d.h. auf Minderung der Miete) bzw. auf Anpassung der Höhe der Miete zustehen (d.h. über die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB) oder ob die Mietzahlungspflicht in diesen Fällen unverändert fortbesteht. Die Hauptpflicht des Vermieters besteht grundsätzlich darin, dem Mieter das Mietobjekt in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zur Verfügung zu stellen. Insoweit kommt es also darauf an, ob eine behördliche Anordnung zur Einstellung des Geschäftsbetriebs bzw. Schließung des Ladenlokals in Folge der Corona-Krise eine Verletzung dieser Hauptpflicht des Vermieters und folglich einen Mangel der Mietsache darstellt und / oder ob sie zu einem Anspruch auf Vertragsanpassung führt.

Rechtsgrundlage der Schließung des Ladenlokals

Bei der Beurteilung der Rechtsfragen ist zunächst zu berücksichtigen, dass im Falle einer behördlich angeordneten Ladenschließung die Behörde nicht das Ziel hat, die Nutzung der Räume zum vertragsgemäßen Gebrauch zu untersagen. Sie untersagt vielmehr die Aufrechterhaltung des Betriebes im Lichte gefahrenabwehrrechtlicher Gesichtspunkte. Dann dürfte eine behördlich angeordnete Ladenschließung aber keinerlei Auswirkungen auf die Erfüllung der Hauptpflicht des Vermieters, dem Mieter das Mietobjekt in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zur Verfügung zu stellen, haben.

Die Rechtsgrundlage für eine Betriebsstilllegung bilden die einschlägigen Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes (§§ 32, 28 Abs. 1 Satz 1, 2 Infektionsschutzgesetz – IfSG) i.V.m. der im betreffenden Bundesland jeweils geltenden „Corona-Schutzverordnung“, in Nordrhein-Westfalen derzeit also die „Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2“ (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 7. Januar 2021 in der ab dem 25. Januar 2021 gültigen Fassung, die am 11. Januar 2021 in Kraft getreten ist und vorerst bis zum 14. Februar 2021 befristet ist.

Ziel einer solchen, auf der Grundlage der „Corona-Schutzverordnung“ erlassenen behördlichen Anordnung zur Schließung des Ladenlokals ist die Vermeidung unnötiger Sozialkontakte. Die im Zuge der Corona-Krise bisher verfügten Ladenschließungen erfolgten ausnahmslos zur Verringerung der Kundenfrequenz insbesondere in den Bereichen Einzelhandel, Gastronomie, Hotel, Bildung, Gesundheit, Sport und Kultur und damit einhergehender Infektionsrisiken. Es wurde in den verschiedenen Verfügungen und Verordnungen in der Regel eine Differenzierung anhand der Betriebsart vorgenommen. Es handelt sich daher um rein betriebsbezogene hoheitliche Eingriffe, die nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Mietobjekt stehen. Bei der Anordnung zur Einstellung des Betriebes geht es somit nicht um die Frage, ob das Mietobjekt weiterhin zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignet ist oder nicht, sondern allein um die Wahrnehmung geeigneter, öffentlich-rechtlicher Gefahrenabwehrmaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie.

Stand der Rechtsprechung

Eine Regelung zur Minderung oder Stundung der Miete für die Zeit der Covid-19-Pandemie enthält das bereits genannte „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie“ nicht und dies wurde auch zunächst nicht durch die „Corona-Schutzverordnung“ geregelt. Daher blieb die Beurteilung solcher Sachverhalte zunächst der Rechtsprechung vorbehalten. Diese war jedoch zumindest im Verlauf des Jahres 2020 uneinheitlich. In den Fällen zum ersten Lockdown im März / April 2020 gab es ebenso Urteile, in denen dem Mieter ein Anspruch auf Mietminderung zugesprochen wurde (Landgericht München, Urteil vom 22. September 2020, Az. 3 O 4495/2020, wobei sich das Gericht vor allem auf die Rechtsprechung aus der Zeit des Ersten Weltkriegs stützte) oder das Gericht einen Anspruch auf Anpassung der Miete gemäß § 313 BGB bejahte (Landgericht Mönchengladbach, Urteil vom 2. November 2020, Az. 12 O 154/20), wie auch Urteile, in denen entsprechende Ansprüche und Rechte des Mieters abgelehnt wurden und die volle Mietzahlungspflicht des Mieters bestätigt wurde (Landgericht Heidelberg, Urteil vom 30. Juli 2020, Az. 5 O 66/20 sowie Landgericht Frankfurt a.M., Urteil vom 5. Oktober 2020, Az. 2-15 O 23/20).

Alle genannten Entscheidungen sind noch nicht rechtskräftig, Berufung wurde jeweils eingelegt. Insoweit bleibt letztendlich abzuwarten, wie die Instanzgerichte und auch andere Gerichte im Einzelfall entscheiden und ob durch den Bundesgerichtshof eine einheitliche Rechtsprechung erfolgen wird.

Werden die Entscheidungen des Landgerichts München und / oder des Landgerichts Mönchengladbach bestätigt, hätte dies zur Folge, dass der Mieter ggf. auch nachträglich bereits gezahlte Mieten aus den Zeiten der Corona-Auflagen zurückverlangen könnte, insbesondere wenn die Mietzahlungen unter Vorbehalt geleistet wurden. Für den Vermieter würde dies rückwirkend den Cashflow über einen langen Zeitraum in Frage stellen. Dies wiederum würde Auswirkungen auf die Bewertung von Immobilien und Finanzierungen haben. Zudem müssten sich Vermieter vermehrt auf Mietzahlungen unter Vorbehalt einstellen.

Gesetzliche Neuregelung aus Dezember 2020

Im Zuge der öffentlichen Diskussion über die Auswirkungen der behördlich angeordneten Ladenschließungen auf den Geschäftsbetrieb der Mieter kam immer wieder die Forderung auf, dass der Gesetzgeber zum Schutz der Mieter entsprechende Anordnungen treffen müsse. Dem ist der Gesetzgeber nunmehr an recht ungewöhnlicher und versteckter Stelle, nämlich im Rahmen des „Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht“ vom 22. Dezember 2020 nachgekommen, das am 30. Dezember 2020 im Bundesgesetzblatt verkündet wurde und das rückwirkend zum 1. Oktober 2020 in Kraft getreten ist (Artikel 14 (1) des Gesetzes).

Durch dieses Gesetz wird u.a. Art. 240 EGBGB um einen § 7 ergänzt (Artikel 10 des Gesetzes). Diese Vorschrift besagt, dass für den Fall, dass Gewerberaummietverhältnisse oder Pachtverhältnisse infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar sind, vermutet wird, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert hat. Diese Regelung ist dann aber nicht mit Rückwirkung, sondern erst am 31. Dezember 2020 in Kraft getreten (Artikel 14 (2) des Gesetzes). Zur Beschleunigung von möglichen Gerichtsverfahren wurde darüber hinaus ein neuer § 44 EGZPO eingefügt, wonach Verfahren über eine Anpassung der Miete vorranging und beschleunigt zu behandeln sind und ein früher erster Gerichtstermin bereits einen Monat nach Zustellung der Klageschrift stattfinden soll (Artikel 1 des Gesetzes).

Die neue gesetzliche Regelung schafft also de facto eine tatsächliche Vermutung für die Annahme einer Störung der Geschäftsgrundlage in Fällen, in denen eine behördlich angeordnete Ladenschließung vorliegt. Diese Vermutung ist allerdings widerleglich. Sie gilt darüber hinaus nur für das sog. „reale Merkmal“ des § 313 Abs. 1 BGB, dass sich also ein Umstand, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat. Die weiteren Merkmale und Voraussetzungen der Vorschrift (d.h. das „hypothetische Merkmal“ und die Unzumutbarkeit in Bezug auf das Festhalten am Vertrag) bleiben unberührt und sind im Streitfall durch die Partei, die sich auf die Regelung beruft (in der Regel also durch den Mieter), darzulegen und ggf. unter Beweis zu stellen.

Des Weiteren bleibt auch die Rechtsfolge des § 313 Abs. 1 BGB unberührt. Eine Vertragsanpassung kann wohl nur im angemessenen Umfang begehrt werden. Zudem kann nur diejenige Rechtsfolge begehrt werden, welche die schutzwürdigen Interessen beider Vertragsteile in ein angemessenes Gleichgewicht bringt. Es hängt daher immer vom jeweiligen Einzelfall ab, ob für den Zeitraum, in dem ein Betrieb von einer staatlichen Maßnahme betroffen ist, zum Beispiel eine Stundung oder Anpassung der Miethöhe, eine Verringerung der angemieteten Fläche bei gleichzeitiger Herabsetzung der Miete oder auch die Aufhebung des Vertrages angemessen ist.

Fazit

Nach der bis zur Corona-Krise vorherrschenden Rechtslage lag das Risiko der Nutzung der Mietsache und damit auch der Zahlung der vertraglich vereinbarten Miete und folglich auch das wirtschaftliche Risiko im Falle einer behördlichen Anordnung zur Ladenschließung grundsätzlich beim Mieter. An dieser Risikoverteilung wurde auch überwiegend in den während der Corona-Krise ergangenen Urteilen festgehalten, auch wenn insoweit widersprechende Urteile vorliegen und eine einheitliche Rechtsprechung durch den Bundesgerichtshof sich noch nicht entwickelt hat. Abzuwarten bleibt nunmehr, wie sich die gesetzliche Neuregelung zukünftig auf Geschäftsraummietverhältnisse auswirkt und wie die Rechtsprechung die Neuregelung anwendet und insbesondere auch wie die Gerichte die konkrete Rechtsfolge festlegen. Gleichwohl sind sowohl die konkreten Regelungen in Mietverträgen zur Risikoverteilung sowie die jeweils einschlägigen behördlichen Anordnungen im Einzelfall zu prüfen.

 

Ihr Ansprechpartner:

Jochen Wiethaus

Rechtsanwalt

(0211) 1725754

j.wiethaus@egsz.de

 

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