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Vergütungspflicht von Reisezeiten bei Entsendung von Mitarbeitern ins Ausland

Mit Urteil vom 17. Oktober 2018 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass Reisezeiten, die im Zusammenhang mit einer Entsendung des Arbeitnehmers ins Ausland stehen, grundsätzlich wie Arbeitszeit zu behandeln und entsprechend zu vergüten ist.

Der Kläger war bei dem beklagten Bauunternehmen als technischer Mitarbeiter beschäftigt und arbeitsvertraglich verpflichtet, auf wechselnden Baustellen im In- und Ausland zu arbeiten. Vom 10.08. bis zum 30.10.2015 entsandte der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter auf eine Baustelle nach China. Auf seinen Wunsch buchte die Beklagte für die Hin- und Rückreise statt eines Direktflugs in der Economy-Class einen Flug in der Business-Class mit Zwischenstopp in Dubai. Für die vier Reisetage zahlte die Beklagte ihm die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung für jeweils acht Stunden. Mit seiner Klage verlangte der Kläger die Vergütung weiterer 37 Stunden mit der Begründung, die gesamte Reisezeit von seiner Wohnung bis zur auswärtigen Arbeitsstelle und zurück sei wie Arbeit zu vergüten. In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat auf die Berufung des Klägers der Klage stattgegeben. Gegen das zweitinstanzliche Urteil legte die Beklagte Revision ein, die hinsichtlich der Rechtsfrage Erfolg hatte.

Denn auch nach Ansicht des 5. Senats des BAG erfolgen die Hin- und Rückreisen zu auswärtigen Arbeitsstellen ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers, weshalb sie in der Regel wie Arbeit zu vergüten seien. Erforderlich sei dabei grundsätzlich die Reisezeit, die bei einem Flug in der Economy-Class anfalle. Die tatsächlich erforderliche Reisezeit muss nun vom LAG ermittelt werden.

Veröffentlicht wurde die Entscheidung des BAG bislang nur als Pressemitteilung. Dieser veröffentlichten Pressemitteilung ist nicht zu entnehmen, auf welche Anspruchsgrundlage das BAG den Vergütungsanspruch stützt. Das LAG hatte als Anspruchsgrundlage allein eine einschlägige tarifvertragliche Norm (§ 7 Nr. 4.3 RTV-Bau) und nicht die allgemeine Regelung des § 612 Abs. 1 BGB herangezogen. Anders als das BAG hatte das LAG dem Kläger auf Grundlage der tarifvertraglichen Bestimmung noch eine Vergütung für die gesamte, tatsächlich angefallene Reisezeit zugesprochen und den Anspruch nicht auf die Reisezeit für den deutlich kürzeren Direktflug begrenzt. Längere Reisezeiten seien nur dann nicht erforderlich i.S.d. § 7 Nr. 4.3 RTV-Bau, wenn sachlich nicht nachvollziehbare Umwege, überflüssige Unterbrechungen oder Ähnliches zu einer Verlängerung der Reisezeit geführt hätten. In dem zu entscheidenden Fall sei jedoch ein „Business-Class“-Flug mit Unterbrechung in Dubai gebucht worden. Da das BAG die Sache zur weiteren Aufklärung der Erforderlichkeit der Reisezeiten an das LAG zurückverwiesen hat, dürfte auch das BAG den RTV-Bau für einschlägig halten. Allerdings lässt sich der Pressemitteilung des BAG entnehmen, dass Reisezeiten im Allgemeinen im Interesse des Arbeitgebers liegen. Hieraus könnte gefolgert werden, dass das BAG Reisezeiten unabhängig von der Anwendbarkeit einschlägiger Tarifverträge als Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen Sinn bewertet. Eine endgültige Aussage darüber, ob es sich generell bei Reisezeiten auch um Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitengesetzes handelt, lässt sich der Pressemitteilung noch nicht entnehmen. Insoweit bleibt die vollständige Urteilsbegründung abzuwarten.

 

Ansprechpartner:
Andreas Doerenkamp
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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