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Neues Grunderwerbsteuergesetz in Kraft getreten

Nach der Stellungnahme des Bundesrats im September 2019 zu den Reformvorschlägen in der Grunderwerbsteuer war man sich einig, dass der bisherige Gesetzesentwurf zur Verschärfung des Share Deal so wie geplant nicht umgesetzt werden sollte. Nach intensiven politischen Diskussionen war das Gesetzgebungsverfahren unterbrochen und auf das Jahr 2020 verschoben worden. Weitere gesetzgeberische Schritte folgten jedoch nicht, sodass nicht wenige bereits damit gerechnet, dass dieses Reformvorhaben letztendlich vollumfänglich scheitert. Insofern war es ein wenig überraschend, dass das Gesetzgebungsverfahren nun doch abgeschlossen wurde (Bundestag: 21. April 2021; Bundesrat: 7. Mai 2021). Das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12. Mai 2021 wurde am 17. Mai 2021 im Bundesgesetzblatt 2021 I S. 986 verkündet.

Mit der gesetzlichen Neuregelung sind insbesondere folgende Änderungen verbunden:

  •  Absenkung der maßgeblichen Beteiligungsgrenze von mindestens 95% aus 90% in allen Fiktionstatbeständen (§ 1 Abs. 2a bis Abs. 3a GrEStG-neu)
  •  Ausweitung der Spezialvorschriften bei grundstücksbesitzenden Personengesellschaften gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG (Immobilien Personengesellschaften) auf   grundstückshaltende Kapitalgesellschaften gemäß § 1 Abs. 2b GrEStG-ne
  •  Einführung einer Ausnahmeregelung für § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG-neu für Börsenunternehmen (sogenannte „Börsenklausel“; § 1 Abs. 2c GrEStG-neu)
  •  Verlängerung der Fristen von fünf auf zehn Jahren bzw. bei der Vorbehaltensfrist des § 6 GrEStG-neu teilweise auf fünfzehn Jahre
  •  Anwendung der Ersatzbemessungsgrundlage auf Grundstücksübertragungen im Rückwirkungszeitraum bei Umwandlungsfällen

Die neuen Regelungen sind erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die ab dem 1. Juli verwirklicht werden.

 

1.      Ausweitung der Spezialvorschriften für Immobilien-Personengesellschaften auf Immobilien-Kapitalgesellschaften

Für Immobilien-Personengesellschaften existierte bereits eine zeitraumbezogene Spezialvorschrift, die in der aktuellen Fassung einen grunderwerbsteuerlichen Tatbestand als erfüllt annimmt, wenn innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren mindestens 95% der Anteile an einer Immobilien –Personengesellschaft auf neue Gesellschafter unmittelbar bzw. mittelbar übergehen. Zukünftig gilt dies bereits bei einer Änderung des Gesellschafterbestands von 90% der Anteile innerhalb eines zudem erweiterten Betrachtungszeitraums von zehn Jahren (§ 1 Abs. 2a GrEStG-neu).

Ab dem 1. Juli 2021 wird nunmehr auch für Immobilien-Kapitalgesellschaften eine zeitraumbezogene Spezialvorschrift (§ 1 Abs. 2b GrEStG-neu) und somit ein vollständig neuer Grunderwerbsteuertatbestand eingeführt. Zukünftig kann damit auch bei einer Immobilien-Kapitalgesellschaft ein grunderwerbsteuerlicher Tatbestand nicht dadurch vermieden werden, dass zwei voneinander im grunderwerbsteuerlichen Sinne unabhängige Investor die Geschäftsanteile an der grundbesitzhaltenden Kapitalgesellschaft erwerben (nach bisheriger Rechtslage im Verhältnis von 94,9% und 5,1%, nach der Neufassung 89,9% und 10,1%). Bei § 1 Abs. 2b GrEStG-neu ist Steuerschuldner die Immobilien-Kapitalgesellschaft selbst (analog zu § 1 Abs. 2a GrEStG). Maßgeblich ist nunmehr, ob innerhalb eines Betrachtungszeitraums von 10 Jahren 90% oder mehr der Geschäftsanteile an der grundbesitzhaltenden Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen. Abzustellen ist auf den dinglichen Übergang der Geschäftsanteile, d.h. dem „Closing“ der Transaktion. Die Gesetzesbegründung stellt klar, dass die Anwendung von personenbezogenen Steuerbefreiungstatbeständen (§ 3 GrEStG und die Regelungen der §§ 5, 6 GrEStG) unverändert bei Immobilien-Kapitalgesellschaften keine Anwendung finden. Dies stellt einen nicht unerheblichen Nachteil im Verhältnis zur Immobilien-Personengesellschaft dar. Inwiefern die Anwendungen der Steuerbefreiungen gem. §§ 5, 6 GrEStG bei Immobilien-Personengesellschaften nach der für 2023 geplanten Umsetzung des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrecht bestehen bleibt, bleibt abzuwarten. Zumindest eine Befreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG (Freistellung bei Schenkung) sollte im Rahmen des § 1 Abs. 2b GrEStG-neu in Betracht kommen, da ansonsten eine Doppelbesteuerung mit Grunderwerb- und Schenkungssteuer drohen würde.

2.      Einführung einer „Börsenklausel“

Nach der neu eingeführten Regelung des § 1 Abs. 2c GrEStG-neu sollen Übergänge von Anteilen an börsennotierten Kapitalgesellschaften bei der Ermittlung der Beteiligungsquote dieser Spezialvorschriften nicht berücksichtigt werden. Voraussetzung ist, dass die Anteile zum Handel an einem organisierten Markt oder äquivalenten Dritthandelsplatz zugelassen sind und der Anteilsübergang aufgrund eines Geschäfts an einem solchen Markt erfolgt. Als Dritthandelsplatz kommen grundsätzlich Börsen in den USA, Hongkong und Australien in Betracht, nicht dagegen Börsen in der Schweiz und Großbritannien. Ausdrücklich bzw. dem Wortlaut der Regelung nach („Anteilsübergang aufgrund eines Geschäfts an diesem Markt“) – anwendbar ist die Regelung auf der unmittelbaren Ebene der börsennotierten Gesellschaft. Gesellschaftsänderungen bei einem Anteilseigner, der Anteile an der börsennotierten Gesellschaft hält, werden dagegen nicht von der Ausnahmeregelung erfasst. Damit würde der Anwendungsbereich der Börsenklausel relativ begrenzt ausfallen. Weitere Übertragungsvorgänge, wie bspw. Blocktrade, IPO, Wertpapieranleihe, etc., erfasst der reine Wortlaut der Börsenklausel ebenfalls nicht, sodass diese Vorgänge ebenfalls von der Ausnahmeregelung nicht erfasst sein würden. Hier bleibt die weitere Entwicklung ebenfalls abzuwarten.

3.      Verlängerung der Fristen von fünf auf zehn Jahre

Der bereits für § 1 Abs. 2a GrEStG geltende Beobachtungszeitraum von fünf Jahren wird auf zehn Jahre verlängert. Wie bereits unter 1. ausgeführt, gilt der Beobachtungszeitraum von zehn Jahren ebenfalls für den neuen § 1 Abs. 2b GrEStG-neu. Bisher gab es die Möglichkeit, im Wege eines zeitlich gestreckten Erwerbs von Anteilen an einer Immobilien-Personengesellschaft die Grunderwerbsteuer auf einen Anteil von rund 5,1% zu beschränken. Hierzu wurden zunächst 94,9% der Anteile und nach Ablauf des Beobachtungszeitraums von fünf Jahren, die restlichen 5,1% erworben (Hintergrund sind die Befreiungsvorschriften der §§ 5, 6 GrEStG). Mit der Verlängerung der Haltefristen auf 10 Jahre ist zukünftig eine Befreiung bei einem gestreckten Erwerb grundsätzlich erst nach Ablauf von 10 Jahren möglich. Hinsichtlich des Tatbestands § 1 Abs. 2a GrEStG-neu im Falle der Erbfolge greift sogar eine Vorbehaltensfrist von fünfzehn Jahren (§ 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG-neu).

4.      Zeitlicher Anwendungsbereich und Übergangsregelungen

Grundsätzlich sind die neuen Regelungen erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die ab dem 1. Juli verwirklicht werden. Jedoch bestehen in der Übergangsphase einige Besonderheiten (Auflistung ausgewählter Sachverhalte):

  • Rückwirkende Anwendung des Beobachtungszeitraumes von 10 Jahren bei Immobilien-Personengesellschaften: Werden Anteile an eine Immobilien-Personengesellschaft nach dem 30. Juni 2021 unmittelbar oder mittelbar übertragen, sind für § 1 Abs. 2a GrEStG-neu Gesellschaftsänderungen auch vor dem 1. Juli 2021 bei der Anwendung des Beobachtungszeitraums von 10 Jahren zu berücksichtigen (§23 Abs. 18 GrEStG-neu).·         Für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG sind Anteilsübertragungen zwischen sogenannten Altgesellschaftern unbeachtlich. Altgesellschafter ist insbesondere derjenige, der seit mindestens fünf Jahren (bzw. nach dem 30. Juni 2021: 10 Jahre) seine Anteile an der Immobilien-Personengesellschaft hält. Ein Gesellschafter, der bereits vor dem 1. Juli 2021 Altgesellschafter im Sinne der bisherigen Rechtslage zu qualifizieren ist (also seit mindestens fünf Jahren beteiligt war), verliert seinen Status als Altgesellschafter durch die Verlängerung der Fristen nicht rückwirkend (§ 23 Abs. 19 GrEStG).
  • Aus Gründen des Vertrauensschutzes ist § 1 Abs. 2b GrEStG-neu auf Übergänge von Anteilen an einer Immobilien-Kapitalgesellschaft, die vor dem 1. Juli 2021 erfolgen, nicht anzuwenden (§ 23 Abs. 23 GrEStG-neu). Somit wären sämtliche am 1. Juli 2021 an einer Immobilien-Kapitalgesellschaft beteiligten Gesellschafter als sog. „Altgesellschafter“ anzusehen. Folgt man dieser Sichtweise, sollten somit Anteilsübertragungen auf derartige Gesellschafter für Zwecke des § 1 Abs. 2b GrEStG-neu auch nach dem 30. Juni 2021 unbeachtlich sein (kein Zählvorgang). Leider fehlt es in dem neuen Gesetz an einer klaren gesetzlichen Regelung, sodass hier eine Rechtsunsicherheit verbleibt.
  • Für Fälle, bei denen bereits eine Beteiligung von höchstens 95% und mindestens 90% besteht, bleibt das bisherige GrEStG anwendbar. Für § 1 Abs. 2a GrEStG in der aktuellen Fassung endet der Anwendungszeitraum grundsätzlich zum 30. Juni 2026; die subsidiäre Vorschriften des § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG in der aktuellen Fassung bleiben dagegen weiterhin zeitlich unbeschränkt anwendbar. Dies bedeutet, dass - wenn bereits eine Beteiligung von bspw. 90% an einer Immobilen-Personengesellschaft besteht - durch einen späteren Hinzuerwerb von weiteren 5% (bspw. in 2036) der Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG ausgelöst werden kann. Dieses Beispiel macht u.a. deutlich, dass durch die Übergangsregelungen zusätzliche Überwachungsmaßnahmen zwingend erforderlich werden.
  • Für die Befreiungsvorschriften der §§ 5, 6 GrEStG in der aktuellen Fassung wird in den Übergangsregelungen (§§ 23, 23 GrEStG-neu) normiert, dass sich die Vor- und Nachbehaltensfristen von fünf Jahren, die bereits vor den 1. Juli 2021 erfüllt werden, nicht durch die Neuregelung verlängern.

 

Ansprechpartner:

Ralf Kuhlmann

Partner/Steuerberater

Telefon:+49-211-17257-0

r.kuhlmann(at)egsz.de

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